CEO-Interview
DEUTZ sorgt mit seinen Antrieben dafür, dass die Welt in Bewegung bleibt. Damit das auch in Zukunft gut funktioniert, wird auch bei DEUTZ selbst vieles bewegt. CEO Dr. Sebastian C. Schulte über ein erfolgreiches Jahr und vielversprechende Aussichten.
Zu Beginn des Geschäftsjahres 2023 haben Sie als Vorstand mit „Dual+“ eine neue Strategie vorgestellt. Was verbirgt sich dahinter?
Dr. Sebastian C. Schulte: Alles, was wir tun, leiten wir von den Bedürfnissen und Anforderungen unserer Kunden und Märkte ab. Sie bestimmen unser Handeln. Und dort ist ganz viel Bewegung. Die Branchen, die wir beliefern, stecken mitten in einer grundlegenden Transformation hin zu mehr Klimaneutralität. Ganz gleich ob Hersteller von Baumaschinen, Mähdreschern oder Gabelstaplern – alle stehen vor derselben Herausforderung: klimafreundliche Antriebe und digitale Geschäftsmodelle. Diese Umgestaltung ist eine enorme Aufgabe. Aber gleichzeitig auch eine große wirtschaftliche Chance für uns. Mit „Dual+“
haben wir unseren Rahmen definiert, um darauf in den nächsten Jahren die bestmögliche Antwort für DEUTZ zu geben.
Wie sieht das konkret aus?
Dr. Sebastian C. Schulte: Während einige Branchen bereits einen Konsens erzielt haben, wie sie Klimaneutralität erreichen können, sieht das in den Branchen, die wir beliefern, anders aus. Das müssen wir ehrlich anerkennen. Wenn Sie einen Mähdrescher elektrisch betreiben wollen, wiegt allein die Batterie über 15 Tonnen. Das heißt bei Maschinen, die ständig im Einsatz sind und große Lasten bewegen, müssen wir auch über andere Technologien als die reine Elektrifizierung nachdenken. Und werden den Verbrennungsmotor weiter benötigen. So wie wir ihn heute nutzen, aber auch mit alternativen Kraftstoffen und dem Einsatz von Wasserstoff. Den Verbrenner weiterzuentwickeln ist also ein Teil unserer neuen Strategie.
Hier haben Sie dieses Jahr bereits erste Erfolge verzeichnen können.
Dr. Sebastian C. Schulte: Wir gehen das an, was wir uns vorgenommen haben, und liefern Schritt für Schritt Ergebnisse. Und sehen, dass der eingeschlagene Weg funktioniert: Im Classic-Bereich sind wir organisch gewachsen und haben über 187.000 DEUTZ-Motoren verkauft, die nun Maschinen auf Baustellen, in der Landwirtschaft und der Logistik auf der ganzen Welt bewegen. Das ist ein Plus von 3,2 %. Zudem haben wir unsere Marge im Bereich der klassischen Verbrennungsmotoren auf 8,8 % gesteigert. Das ist das Ergebnis einer hervorragenden Arbeit in den Teams und zeigt, dass
die Maßnahmen zur Performancesteigerung der letzten
18 Monate Wirkung zeigen.
Neben der Optimierung der eigenen Produktion ist DEUTZ 2023 verschiedene Kooperationen eingegangen. Was versprechen Sie sich von diesen Schritten?
Dr. Sebastian C. Schulte: Wir möchten bis 2030 zu den Top 3 der unabhängigen Motorenhersteller gehören. Das gelingt uns nur, wenn wir eine aktive Rolle in der einsetzenden Konsolidierung des Motorenmarktes spielen. Die zu Beginn des Jahres geschlossene Kooperation mit Daimler Truck ist dafür ein erster wichtiger Schritt. Sie gibt uns Zugriff auf hochmoderne Verbrennungsmotoren, die unsere eigenen Serien ideal ergänzen und in manchen Motorengrößen einen Modernisierungssprung erlauben. DEUTZ erschließt sich so neue Kundengruppen, spart Entwicklungskosten und erweitert sein Produktangebot bei modernen Verbrennungsmotoren.
Alles, was wir tun, leiten wir von den Bedürfnissen und Anforderungen unserer Kunden und Märkte ab.«
Der Produktionsstart der künftig durch DEUTZ vermarkteten Motorvarianten von Daimler Truck soll allerdings erst im Jahr 2028 erfolgen. Wann erwarten Sie erste Ergebnisse?
Dr. Sebastian C. Schulte: Wir sind mit Daimler Truck eine langfristige Partnerschaft eingegangen. Das zeigt auch die Tatsache, dass Daimler Truck im Rahmen der Kooperation zu einem der größten Anteilseigner der DEUTZ AG aufgestiegen ist. Und wir haben uns so in eine exzellente Ausgangslage gebracht, um die Marktkonsolidierung weiter voranzutreiben, wie die avisierte Kooperation mit Rolls-Royce Power Systems Ende letzten Jahres deutlich macht.
Was hat es damit auf sich?
Dr. Sebastian C. Schulte: Die im Dezember erzielte Grundsatzeinigung sieht vor, dass wir voraussichtlich ab Mitte 2024 die Vertriebs- und Serviceaktivitäten für die Daimler-Truck-Motoren für das Off-Highway-Segment von Rolls-Royce Power Systems übernehmen. Auch die Serviceaktivitäten für die sich schon im Einsatz befindlichen Motoren werden von DEUTZ übernommen. In Summe erwarten wir so einen zusätzlichen Umsatz von 300 Mio. € pro Jahr.
Die Entwicklung eines grünen Produktportfolios ist der zweite Pfeiler der neuen Strategie. Was haben Sie hier vor?
Dr. Sebastian C. Schulte: In unserem Green-Segment geht es um die Weiterentwicklung alternativer Antriebe. Dazu gehört die klimafreundliche Weiterentwicklung des Verbrennungsmotors, etwa durch den Einsatz von Wasserstoff oder synthetischen Kraftstoffen, ebenso wie die Entwicklung alternativer Antriebsformen, wie zum Beispiel elektrifizierte Antriebsstränge. Um den veränderten Anforderungen an die Infrastruktur, die einen Motor am Laufen hält, Rechnung zu tragen, werden wir die Angebotspalette auf das gesamte Produktökosystem erweitern. Neue Wertschöpfungsketten, etwa beim Laden von elektrischen Maschinen oder dem Befüllen von Wasserstoffmotoren, sollen erschlossen werden.
Wo steht DEUTZ bei der Entwicklung eines grünen Produktportfolios aktuell?
Dr. Sebastian C. Schulte: Wir haben eine Menge Know-how, auf dem wir sehr gut aufbauen können. Und das tun wir auch, zum Beispiel beim Wasserstoffverbrennungsmotor. Während im Geschäft mit klassischen Verbrennungsmotoren die Aufgaben und Entwicklungspfade allerdings relativ klar sind, haben wir es im Bereich Green mit einigen Unbekannten zu tun: Das betrifft sowohl die Frage nach der besten klima-freundlichen Antriebstechnologie in den verschiedenen Anwendungsfeldern als auch die Nachfrage am Markt oder die richtige Auswahl neuer Partner für den Aufbau eines grünen Ökosystems.
Wie gehen Sie damit um?
Dr. Sebastian C. Schulte: Wir müssen einiges anders machen und haben daher 2023 begonnen, den Bereich organisatorisch neu aufzustellen und Green eine eigenständige Organisationsstruktur zu geben. Das Ziel: mehr Agilität und Geschwindigkeit bei der Geschäftsentwicklung ermöglichen. Nur wenn wir unsere Aktivitäten und Entwicklung konsequent am Markt und an den Bedürfnissen unserer Kunden ausrichten, können wir neue Kundengruppen ansprechen, neue Geschäftsmodelle entwickeln und letztendlich mit dem Green-Bereich Geld verdienen. Diese Neuaufstellung ist noch nicht abgeschlossen, aber wir sehen bereits erste Erfolge.
Sie meinen den ersten Serienauftrag für einen DEUTZ-
Wasserstoffmotor?
Dr. Sebastian C. Schulte: Zum Beispiel. Wir haben im September den ersten Serienauftrag über 100 wasserstoffbetriebene Stromerzeugungsaggregate aus China erhalten, im Februar 2024 ist der erste Motor der Serie in Köln-Porz vom Band gelaufen. Das ist in vielerlei Hinsicht ein strategisch wichtiger Meilenstein für uns: Er zeigt, dass wir mit unseren Produkten auch über unser technologieoffenes Antriebsportfolio hinaus
die Bedürfnisse des Markts mit passenden Lösungen bedienen können. Er ermöglicht uns, gemeinsam mit unseren Kunden wertvolle Erfahrungen in dieser zukunftsweisenden Technologie zu sammeln. Und er ist perspektivisch ein weiterer Schritt auf unserem Weg in Richtung Klimaneutralität.
Wir spüren an ganz vielen Ecken, dass sich die Art der Zusammenarbeit verändert und verbessert. Das freut mich persönlich sehr.«
Wo sehen Sie weitere Erfolge im Segment Green?
Dr. Sebastian C. Schulte: Mitte des vergangenen Jahres haben wir angekündigt, die Investition in Torqeedo nicht weiterzuführen. Im Januar 2024 haben wir den Kaufvertrag mit Yamaha Motors unterzeichnet. Damit bekommt Torqeedo einen echten „Best Owner“. Und wir verschaffen uns mehr Freiraum, um unser grünes Produktportfolio weiterzuentwickeln und stärker am Markt auszurichten. Denn Torqeedo hat sich leider für uns von Anfang an nicht zufriedenstellend entwickelt. Immerhin ist der angestrebte Technologietransfer weitgehend erfolgt und abgeschlossen. Die Ressourcen, die durch den Verkauf frei werden, können wir nun im Segment Green dort einsetzen, wo wir als DEUTZ mehr Potenzial haben und auch Geld verdienen können. Der Verkauf von Torqeedo ist somit für uns ein wichtiger Schritt, um den grünen Bereich neu aufzustellen.
Der dritte Pfeiler der neuen Strategie ist das Servicegeschäft – das Plus in „Dual+“. Wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung hier?
Dr. Sebastian C. Schulte: Wir haben uns mit der neuen Strategie ein klares Ziel gesetzt: 600 Mio. € Umsatzanteil bei mindestens gleichbleibender Profitabilität in den nächsten Jahren. Auch hier sind wir 2023 einen wichtigen Schritt vorangekommen und konnten den Umsatz um 7,6 % auf 484 Mio. € steigern. Dazu beigetragen hat vor allem der weltweite Ausbau unserer Servicestandorte, unter anderem durch Zukäufe auf zwei Kontinenten. Das Servicegeschäft wird aber nicht nur vom Volumen her immer wichtiger für uns. Es ist zentraler Bestandteil, um in Zukunft noch viel stärker nicht nur den reinen Motor
zu verkaufen, sondern den laufenden Motor. Deshalb setzen wir so stark auf intelligente Wartung und smarte Services.
Sie betonen immer wieder, dass Sie sich auch als Organisation bewegen müssen, um in Zukunft erfolgreich zu sein.
Was meinen Sie damit?
Dr. Sebastian C. Schulte: Wir wollen die Art, wie wir zusammenarbeiten, verbessern. Das ist ebenso Teil der neuen Strategie wie die Weiterentwicklung unserer Geschäfte. Ein Beispiel ist die Workshopkaskade, mit der wir unsere neue Strategie im vergangenen Jahr vorgestellt haben: In über 55 Workshops haben wir bereits weit über 2.000 Mitarbeitern weltweit die Möglichkeit gegeben, die Strategie in ihre Bereiche zu übersetzen und uns als Vorstand wichtiges Feedback mitzugeben. Nur wenn alle bei DEUTZ verstehen, wo wir als Unternehmen hinwollen und wie jeder Einzelne dazu beitragen kann, werden wir am Ende erfolgreich sein.
Können Sie dieses neue Miteinander für sich zusammenfassen oder beschreiben?
Dr. Sebastian C. Schulte: Wir spüren an ganz vielen Ecken, dass sich die Art der Zusammenarbeit verändert und verbessert. Das freut mich persönlich sehr. Mit unseren 5T – abgeleitet aus den englischen Begriffen – Trust, Transparency, Truth, Team und Tenacity – haben wir uns in einem gemeinsamen Prozess mit vielen Kolleginnen und Kollegen Prinzipien gegeben, die für uns ein gutes Miteinander ausmachen und damit handlungsleitend sein sollen: Vertrauen, Transparenz, Wahrheit, Team und Beharrlichkeit. Das ist für uns die Grundlage, um bei DEUTZ erfolgreich und gut zusammenzuarbeiten.
Sind das für Sie auch Werte, die in der aktuellen Debatte um Demokratie, Vielfalt und Weltoffenheit Gültigkeit besitzen?
Dr. Sebastian C. Schulte: Wir haben unsere 5T bei uns intern gemeinsam definiert. Für DEUTZ, für unsere Organisation. Alles andere wäre vermessen. Ich persönlich glaube aber trotzdem, dass wir die Pflicht haben, aufzustehen und die Stimme zu erheben: für Weltoffenheit und Toleranz. Und für das Erinnern an das, was uns die Geschichte lehrt. Um deutlich zu machen, dass ein vielfältiges Deutschland ein Gewinn für uns alle ist.